Die Strompreise in Deutschland zählen zu den höchsten weltweit und stellen für industrielle sowie private Verbraucher eine große Belastung dar. Sie erschweren u.a. die internationale Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Unternehmen. Vor diesem Hintergrund hat das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) gemeinsam mit dem Forum für Zukunftsenergien das erste „Berliner Wissenschaftsgespräch zur Energiewirtschaft“ zum Thema „Wie entwickeln sich die Strompreise?“ in der Berliner Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen veranstaltet. Gegenstand der Veranstaltungen waren die wesentlichen Kostenbestandteile: Großhandelspreise, Netzentgelte und EEG-Differenzkosten.
Dr.-Ing. Ann-Kathrin Klaas, Head of Research Area am EWI, sprach über die Spotpreise am Strommarkt, die in den kommenden Jahren eine nur leicht fallende Tendenz bei zunehmender Volatilität zeigen könnten. Die Stunden mit negativen Preisen könnten wegen der vermehrten Einspeisung erneuerbarer Energien ebenfalls steigen. Prof. Dr. Lion Hirth, Professor of Energy Policy von der Hertie School, sprach sich in seinem Vor-trag zu Gebotszonen für lokale Preise aus. „Nur mit einer Gebotszonenteilung werden die dezentralen Flexibilitäten effizient bewirtschaftet werden können“, führte Hirth aus. Die Herausforderungen einer Zonenteilung seien dabei lösbar.
Philipp Kienscherf, Head of Research Area am EWI, zeigte die mögliche Entwicklung der Netzentgelte. Im Klimaneutralitätsszenario des Netzentwicklungsplans seien große Investitionen ins Stromnetz nötig, insbesondere auch in die Verteilnetze. Die Wirkung dieser Investitionen sei zwar abhängig von verschiedenen Parametern. Aber er erläuterte: „In allen von uns betrachteten Szenarien kommt es zu einem nennenswerten Anstieg der Netzentgelte bis zum Jahr 2045, bis hin zu einer Verdopplung.“ Marvin Dalheimer, Fachbereichsleiter Energiewirtschaft und Regulierung vom Verband der Industriellen Energie- & Kraftwirtschaft (VIK) erklärte zu diesem Thema, dass die Kostenbelastungen der Industrie durch steigende Netzentgelte eine zunehmend größere Rolle einnähmen. Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sei die Eindämmung dieser Kosten von vordringlicher Bedeutung.
Zum Thema EEG-Differenzkosten erläuterte Dr. Philip Schnaars, Head of Research Area am EWI, die Gründe für deren jüngst im Rahmen der Mittelfristprognose der Übertragungsnetzbetreiber vorhergesagten Anstieg in den kommenden Jahren. Insbesondere diskutierte er die mögliche Entwicklung der Jahresmarktwertfaktoren von Wind und Solar. Diese Faktoren beschreiben das Verhältnis des Marktwerts des eingespeisten Stroms zum durchschnittlichen Strompreis. Die Jahresmarktwertfaktoren von Windenergie würden voraussichtlich stabil bleiben, während bei Solarenergie bereits in naher Zukunft ein erheblicher Rückgang zu erwarten sei. Daraus ergäbe sich zusätzlicher Finanzierungsbedarf. Wilhelm Kiewitt, Leiter Energiewirtschaft bei 50Hertz, ergänzte, dass sich das Verhältnis von Kosten und Nutzen im Lauf der Zeit verbessern würde, weil Anlagen mit hohen Vergütungssätzen aus der Förderung ausscheiden würden. So könnte der Anstieg der EEG-Differenzkosten in einigen Jahren trotz weiterhin stattfindendem Zubau nahezu vollständig gebremst werden. „Für die weitere Entwicklung der EEG-Förderkosten spielt eine Absenkung der Förderhöhe eine untergeordnete Rolle. Viel entscheidender ist es, dass mehr Anlagen auf Marktpreise reagieren und ihre Erzeugung daran anpassen“, so Kiewitt.
Um die Strompreise sowie die Kosten der Energiewende ging es auch im abschließenden Podiumsgespräch mit EWI-Direktor Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Marvin Dalheimer, Fachbereichsleiter Energiewirtschaft und Regulierung, Verband der Industriellen Energie- & Kraftwirtschaft (VIK), und Wilhelm Kiewitt, Leiter Energiewirtschaft, 50Hertz, moderiert von Dr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forums für Zukunftsenergien. EWI-Direktor Bettzüge betonte die Herausforderungen durch das Bauprojekt Energiewende in Planung und Governance: „Fragen der Wirtschaftlichkeit müssen bei der weiteren Umsetzung der Energiewende eine höhere Priorität erhalten als bisher.“ Befragt zur Gebotszonenteilung wies er auf aktuelle Forschungsergebnisse hin, welche den Mehrwert einer solchen Maßnahme im Vergleich zu niedrigschwelligen Markteingriffen als eher gering bewerteten.
Das „Berliner Wissenschaftsgespräch zur Energiewirtschaft“ ist ein neues Arbeitsformat, welches das EWI und das Forum für Zukunftsenergien erstmalig ausgerichtet haben. „Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe des Berliner Wissenschaftsgesprächs im neuen Jahr 2025“, kündigte Nietfeld die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit an.