Im Rahmen der Webinar-Reihe EWI-Insights haben die Forschenden Michael Moritz und Maximilian Walde die Ergebnisse zweier aktueller Veröffentlichungen zur Kosteneffizienz von klimaneutralen Heizungsoptionen sowie zu den Kosten von parallelen Verteilnetzinfrastrukturen zur Wärmeversorgung vorgestellt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Philip Schnaars.
Die beiden vorgestellten Veröffentlichungen zeigen zum einen, dass der Aufbau von Infrastruktur für das Heizen mit Wärmepumpen wahrscheinlich die kostengünstigste Option für klimaneutrales Heizen ist. Dabei können Großwärmepumpen mit Wärmenetzen langfristig Kostenvorteile gegenüber dezentralen Wärmepumpen bieten. Zum anderen könnten dezentrale Wärmepumpen kurzfristig durch die unvollständige Auslastung von Wärmenetzen und den parallelen Betrieb bestehender Verteilnetzinfrastrukturen begünstigt sein. Der Aufbau von neuen Wärmenetzen ist mit hohen Investitionskosten verbunden. Die kurzfristigen Hürden bei Finanzierung und Umsetzung können für einzelne Kommunen und Versorger unüberwindbar sein, wodurch langfristige Kostenvorteile nicht genutzt werden können.
Michael Moritz, Senior Research Associate am Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI), erklärte im ersten Teil der Veranstaltung, welche Heizungstechnologien anhand ihrer Vollkosten in einem künftigen klimaneutralen Energiesystem kosteneffizient sein könnten. Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil einer Fallstudie für Deutschland aus dem neuen EWI Working Paper ”A heated debate – The future cost-efficiency of climate-neutral heating options under consideration of heterogeneity and uncertainty” von Michael Moritz, Berit Hanna Czock und Oliver Ruhnau. Dabei wurden Unsicherheiten in künftigen Energie-, Technologie- und Infrastrukturkosten sowie Heterogenität in Siedlungstypen und Gebäuden berücksichtigt. „Investitionsentscheidungen in Infrastruktur zur Wärmeversorgung müssen frühzeitig getroffen werden, da die Umstellung auf neue Infrastrukturen viele Jahre dauern kann. Deshalb ist es bei diesen Investitionsentscheidungen wichtig, die Unsicherheiten der zukünftigen Entwicklung von Kosten zu berücksichtigen.“, sagte Moritz.
Aus der Fallstudie ergeben sich mehrere Schlussfolgerungen. So sollte die Entscheidung zwischen dezentralen und zentralen Wärmepumpen in urbanen Gebieten im Mittelpunkt der kommunalen Wärmeplanung stehen. Das Working Paper zeigt weiter: Wasserstoffkessel können in ländlichen und dörflichen Siedlungen wirtschaftlich sein, wenn Wasserstoff in Zukunft relativ günstig zu Verfügung stünde, aber angesichts der hohen Ungewissheit über den künftigen Wasserstoffpreis und die Wasserstoffnetzkosten scheinen Wasserstoffkessel derzeit eine riskantere Option zu sein als Wärmepumpen. Diese sind aufgrund ihrer hohen Effizienz weniger von steigenden Energie- und Netzkosten betroffen. Synthetisches Erdgas erscheint aufgrund seiner hohen Erzeugungskosten in der Analyse nicht wirtschaftlich, obwohl es kurzfristig die bestehende Infrastruktur nutzen könnte.
Einen anderen Blickwinkel auf die Wärmewende stellte Maximilian Walde, Research Associate am EWI, vor. Im zweiten Teil des Webinars ging es um die Kosten für den Bau und den Betrieb von parallelen Verteilnetzinfrastrukturen für die Wärmeversorgung. Dabei wurde mit der Berücksichtigung von Bestandsinfrastrukturen ein besonderer Fokus auf die kostengünstige Transformation der Verteilnetzinfrastrukturen gelegt. Die Ergebnisse stammen aus der kürzlich veröffentlichten EWI-Analyse „Kosten paralleler Verteilnetzinfrastrukturen“ von Tobias Sprenger, Maximilian Walde, Stephan Terhorst und Cordelia Frings. In dieser wurden die sogenannten Netznutzungskosten für Fernwärme-, Wasserstoff- und Stromverteilnetze berechnet und abhängig vom Nutzungsgrad betrachtet. „Aus Sicht der Netznutzungskosten kann es sinnvoll sein, bestehende Verteilnetzinfrastrukturen bis zum Ende ihrer Lebenszeit zu nutzen“, erklärte Walde.
Die Analyse zeige, dass zur Deckung des Gesamtwärmebedarfs eine möglichst weitreichende Nutzung der Bestandsinfrastruktur, bei der ein Ausbau vermieden wird, zu den geringsten Netznutzungskosten führt. Der Neubau einer Infrastruktur erscheine nur sinnvoll, wenn dafür langfristig eine andere Verteilnetzinfrastruktur stillgelegt werden kann, um einen möglichst hohen Nutzungsgrad und damit geringere Netznutzungskosten zu erzielen. In allen untersuchten Siedlungstypen zeigen sich in der Analyse Strom- und Wasserstoffnetze mit deutlich geringeren Netznutzungskosten als bei Fernwärme. Die Versorgung des Wärmebedarfs über die Strominfrastruktur erscheine besonders dann sinnvoll, wenn niedrige Wärmeliniendichten vorliegen oder die Kosten einer Erdgasnetzumrüstung mit Unsicherheiten behaftet sind. Trotz hoher Netznutzungskosten könnte eine Versorgung durch Fernwärme unter Betrachtung aller Kosten sinnvoll sein, wie im ersten Teil der Veranstaltung gezeigt wurde.
Die Online-Workshop-Reihe EWI-Insights findet seit dem Jahr 2020 etwa viermal jährlich statt und richtet sich an Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die an wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Energiewelt interessiert sind. Forschende des EWI bieten Einblicke in aktuelle Studien und Analysen des Instituts. Informationen über aktuelle Veranstaltungen des EWI finden sich hier.