Lokale Strommärkte bringen Angebot und Nachfrage vor Ort zusammen

Lokale Strommärkte bringen Angebot und Nachfrage vor Ort zusammen
30. März 2021 |

Das Stromsystem in Deutschland wandelt sich strukturell. Dabei spielen auch dezentrale Organisationsformen eine Rolle. Den Nutzen lokaler Strommärkte analysiert das Energiewirtschaftliche Institut (EWI).

Dekarbonisiert, dezentral und digital: Das deutsche Stromsystem wandelt sich im Rahmen der Energiewende und der Klimaziele strukturell. Ein neuer Ansatz für die dezentrale Energieversorgung sind lokale Märkte. Diese koordinieren Nachfrage und Angebot direkt vor Ort – beispielsweise, wenn jemand Strom von der Photovoltaik-Anlage in der Nachbarschaft beziehen möchte oder wenn lokale Flexibilität genutzt werden soll. Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die zunehmende Zahl neuer Verbraucher wie Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge werden dezentrale Lösungen immer wichtiger.

Wie lokale Koordinationsmechanismen einerseits die Nachfrage nach lokal erzeugtem Strom bedienen und andererseits durch die Nutzung dezentraler Flexibilitäten Netzengpässe vermeiden können, hat ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln in der Studie „Ökonomische Bewertung des Nutzens lokaler Koordinationsmechanismen“ im Auftrag der Siemens AG und der Allgäuer Überlandwerk GmbH untersucht.

Höhe von zusätzliche Zahlungsbereitschaften für lokal erzeugten Strom ist noch offen

„Der ökonomische Nutzen lokaler Märkte ergibt sich aus der Koordination von lokalem Angebot und lokaler Nachfrage, beispielsweise nach Stromerzeugung oder Flexibilität“, sagt EWI-Manager Dr. Johannes Wagner, der die Analyse gemeinsam mit Nils Namockel und Konstantin Gruber verfasst hat. In der Studie wird betrachtet, ob Menschen bereit sind, zusätzlich Geld auszugeben, wenn ihr Strom lokal erzeugt wird. Außerdem kann durch lokale Märkte der Ausbau von Verteilnetzen reduziert werden, indem dezentrale Flexibilität genutzt wird.

Ein entscheidender Faktor sind Zahlungsbereitschaften der Verbraucher für lokal erzeugten Strom. Empirische Studien liefern Hinweise, dass diese Zahlungsbereitschaften existieren. Eine Quantifizierung des ökonomischen Nutzens von lokaler Koordination ist mit der bestehenden Datengrundlage allerdings nur begrenzt möglich, sodass hier wichtige Beiträge durch zukünftige Forschung geleistet werden können. Zudem sind marginale Zahlungsbereitschaften schwer zu interpretieren, da selten die maximale marginale Zahlungsbereitschaft (beispielsweise für Grünstrom) tatsächlich realisiert werden kann.

Dezentrale Flexibilität könnte den Bedarf an Netzausbau reduzieren

Außerdem kann mit dezentraler Flexibilität der im Rahmen der Energiewende benötigte Ausbau der Verteilnetze reduziert werden. Entsprechend einer Metaanalyse können sich die Gesamtkosten durch den vermiedenen Netzausbau um bis zu 57 Prozent oder bis zu 2,4 Milliarden Euro pro Jahr verringern. Die betrachteten Studien prognostizieren jedoch unterschiedlichen Bedarf für den Ausbau der Verteilnetze, je nach Annahmen beispielsweise zur Anzahl von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen. Offen bleibt in den betrachteten Studien zumeist, auf welche Weise die Flexibilitätsoptionen nutzbar gemacht werden. Dazu stehen grundsätzlich verschiedene Mechanismen zur Verfügung; ein lokaler Markt für Flexibilität wäre eine Option.

Der aktuelle Regulierungsrahmen schränkt das Potenzial lokaler Strommärkte ein

Lokale Marktmechanismen sind in der Realität aufgrund des Regulierungsrahmens aktuell nur schwierig umzusetzen. Die Analyse der Auswirkungen des aktuellen Regulierungsrahmens auf das Potenzial lokaler Koordinationsmechanismen zeigt, dass für die Teilnahme an lokalen Märkten nur geringe Anreize bestehen.

Auf Seiten der Verteilnetzbetreiber hemmen die Anreizregulierung sowie die Unbundling-Vorschriften die Beschaffung dezentraler Flexibilitäten und damit die Beteiligung an lokalen Strommärkten. Haushalte bzw. Prosumer, die für ihre EE-Anlage eine Förderung durch das EEG erhalten, haben wenig Anreiz, ihren Strom anderweitig zu vermarkten, auch auf Grund des Doppelvermarktungsverbotes. „Nach Ablauf der Förderperiode besteht zwar die Möglichkeit dazu, allerdings privilegiert die aktuelle Abgaben- und Umlagensystematik den Eigenverbrach gegenüber alternativen Vermarktungsformen“, sagt Dr. Wagner. „Zudem sollten die Netzentgelte reformiert werden, um das Potenzial lokaler Strommärkte zu heben.“