VISE Policy Brief: Wie beeinflusst Regulierung die Geschäftsmodelle von regionalen virtuellen Kraftwerken?

VISE Policy Brief: Wie beeinflusst Regulierung die Geschäftsmodelle von regionalen virtuellen Kraftwerken?
23. April 2020 |

Regionale virtuelle Kraftwerke vermarkten die Flexibilität von Haushalten. Wegen des regulatorischen Rahmens sind jedoch nur manche profitabel.

Regionale virtuelle Kraftwerke können prinzipiell wirtschaftlich betrieben werden. Allerdings wirkt sich der regulatorische Rahmen erheblich darauf aus, welche Geschäftsmodelle überhaupt möglich und wie profitabel diese ggf. sind. Das ist das Ergebnis des neuen VISE Policy Briefs Nr. 9, den Max Schönfisch, Arne Lilienkamp und Dominic Titze (alle EWI) verfasst haben.

Regionale virtuelle Kraftwerke (RVKWs) sind unterhalb eines Verteilnetzknotens angesiedelt und vermarkten die Flexibilität von Haushalten, indem sie deren Erzeugungsanlagen und Verbrauchsgeräte in das Verteilnetz einbinden und steuern. Solche Erzeuger und Verbraucher können zum Beispiel PV-Anlagen mit Batterie-Heimspeichern, Wärmepumpen oder Mikro-KWK-Anlagen mit thermischen Speichern und Elektrofahrzeuge mit „intelligenten“ Ladevorrichtungen sein. Betreiber von RVKWs können diese Einheiten bündeln und auf dem Großhandelsmarkt für Strom und ggf. dem Regelleistungsmarkt vermarkten. Im besten Fall zahlt sich das dann für Betreiber und individuelle Haushalte aus. Der derzeitige regulatorische Rahmen erschwert jedoch die Vermarktung

Doppelbelastung macht netzorientierten Betrieb von Haushaltsspeichern unprofitabel

Eine wirtschaftliche Einbindung von Erzeugungsanlagen und Verbrauchsgeräten auf Haushaltsebene wird vor allem durch die Klassifizierung von Haushalten als Letztverbraucher im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) und der damit verbundenen Belastung von Haushaltsstrom mit Umlagen, Abgaben und Steuern erschwert. Dies betrifft vor allem haushaltsbasierte Batteriespeicher. Diese könnten theoretisch Strom zu einem Zeitpunkt mit einem niedrigen Preis (z.B. wenn viel Wind- oder PV-Strom im Netz ist) speichern und ihn zu einem späteren Zeitpunkt mit einem höheren Preis wieder ausspeichern. Das RVKW würde also „intertemporale Arbitrage“ betreiben, das heißt Preisdifferenzen im Laufe der Zeit ausnutzen, um einen Erlös zu generieren.

Die mit dem Letztverbraucherstatus verbundenen Umlagen, Abgaben und Steuern fallen bei einem Netzbezug und zu gewissen Teilen auch bei einer Rückspeisung von Strom ins Netz an. Für Speicherbesitzer lohnt es sich deshalb nicht, wenn das RVKW den Heimspeicher am Strommarkt einsetzt, da für sie zusätzliche Kosten entstehen würden. Nur mit einem vollständigen Wegfall dieser Doppelbelastung durch eine Saldierung aller der bei Ein- und Ausspeisung anfallenden Steuern, Abgaben und Umlagen würde diese Hürde beseitigt werden.

Geschäftsmodelle, die auf Lastverschiebung setzen, sind möglich

Möglich sind jedoch sogenannte Contracting-Modelle. Diese beruhen darauf, dass Haushalte ihr Potenzial zur Lastverschiebung einem RVKW zwecks Vermarktung zur Verfügung stellen. Ein Haushalt würde in diesem Fall nicht stärker belastet als sonst, da Haushaltsstromtarife in der Regel zeitlich nicht variieren und der Haushalt unter einem solchen Modell nicht zusätzlich Strom aus dem Netz beziehen würde. Lediglich der Zeitpunkt der Entnahme aus dem Netz würde verschoben. Die so geschaffene Flexibilität könnte vom RVKW am Strom- oder Regelleistungsmarkt angeboten werden. Hierzu müsste der Haushalt dem RVKW die Steuerung planbarer Verbraucher wie Wärmepumpen, aber auch eigener Erzeugung und Speichern überlassen.

Hohe Mindestproduktgrößen am Regelleistungsmarkt

Auch die marktseitige Regulierung schafft Hürden für RVKW. Dies gilt insbesondere für die zur Bereitstellung von Regelleistung erforderlichen Mindestproduktgrößen. Diese betragen 1 MW für alle Regelleistungsqualitäten. Es ist unsicher, ob ein unterhalb eines Verteilnetzknotens angesiedeltes RVKW genug Leistung poolen kann, um die benötigten Mindestgebotsmengen über die gesamte Produktzeitscheibe mit der erforderlichen Zuverlässigkeit anbieten zu können. Dies soll im weiteren Verlauf des VISE-Teilprojekts 4 mit Hilfe numerischer Modelle untersucht werden.

RVKW als Direktvermarkter von EEG- oder KWKG-Strom

Eine wichtige Rolle spielen auch die vom Gesetzgeber über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG) eingerichteten Fördermechanismen für Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Mit den im EEG und KWKG definierten Subventionsmechanismen schafft der aktuelle Regulierungsrahmen Erlösmöglichkeiten für Betreiber von erneuerbaren Stromerzeugungsanlagen bzw. Anlagen, die sowohl Strom als auch Wärme produzieren. Für RVKW bieten sich hier insbesondere in der Direktvermarktung Möglichkeiten, Kund*innen zu gewinnen.

Fehlende Erlösmöglichkeiten für die Bereitstellung von Flexibilität im Verteilnetz

Ein RVKW zeichnet sich dadurch aus, dass es eine Vielzahl von Anlagen innerhalb eines Verteilnetzes bündelt. Es würde sich somit anbieten, besonders auf lokaler Ebene Systemdienstleistungen und Engpassmanagement anzubieten. Hier fehlen jedoch sowohl die rechtlichen als zum Teil auch die technischen Voraussetzungen, um diese Flexibilität zu vermarkten, sei es durch den direkten Zugriff durch den Verteilnetzbetreiber oder über eine Art lokalen Markt für Flexibilität.

Über VISE

Das Virtuelle Institut “Smart Energy” (VISE) ist ein Forschungsverbund und ein Kompetenzzentrum, welches sich dem Thema Digitalisierung der Energiewirtschaft widmet. Es besteht derzeit neben dem EWI aus Forscherinnen und Forschern von der WWU Münster, der TH Köln, der Bergischen Universität Wuppertal, dem Forschungszentrum Jülich, dem Wuppertal Institut und der Universität Duisburg-Essen. Inhaltlich gliedert sich das VISE in vier Teilprojekte mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten. Eines dieser Teilprojekte untersucht virtuelle Kraftwerke.

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