Reserven zurück an den Markt: Preisdämpfung hat Nebenwirkungen

Reserven zurück an den Markt: Preisdämpfung hat Nebenwirkungen
22. Mai 2025 |

Der Koalitionsvertrag sieht eine Marktrückkehr von Reservekraftwerken vor. Ein neuer Policy Brief des EWI zeigt jedoch: Der Preiseffekt hängt von der Ausgestaltung ab, während Netzentgelte steigen und Investitionsanreize sinken könnten.

Eine Rückkehr von Reservekraftwerken an den Strommarkt könnte kurzfristig Preisspitzen dämpfen. Es drohen jedoch steigende Redispatchkosten und schwächere Investitionsanreize im Strommarkt. Dadurch könnten die Netzentgelte und Kosten für einen Kapazitätsmechanismus steigen.

Im neuen Policy Brief „Back (-up) for good? Implikationen einer Rückkehr von Reservekraftwerken an den Strommarkt“ analysiert ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln kurz- und langfristige, also statische und dynamische Effekte einer möglichen Marktrückkehr von Reservekraftwerken. Der Policy Brief wurde beauftragt durch die Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V.Die Analyse nutzt das EWI-eigene und öffentlich verfügbare Merit-Order Tool.

Abbildung: Möglicher Preiseffekt in einer beispielhaften Stunde

Kurzfristig könnten Preisspitzen gedämpft werden, Redispatchkosten jedoch steigen

In der Analyse zeigt sich: Grundsätzlich ist bei Rückkehr der Reservekapazitäten an den Strommarkt ein Preisdämpfungseffekt zu erwarten, der Umfang hängt jedoch stark von der konkreten Ausgestaltung ab – etwa davon, wie viel Reservekapazität in den Markt integriert wird, ob dies marktlich oder administrativ erfolgt und welcher Auslösepreis gewählt wird.

Gleichzeitig kann es zu einer Umschichtung von Kosten kommen: Wenn Reservekraftwerke netztechnisch wichtige Kraftwerke aus dem Marktergebnis verdrängen, steigen möglicherweise die Redispatchkosten, was sich über die Netzentgelte auf den Verbrauch auswirken kann. Zudem bleiben im Koalitionsvertrag wichtige Umsetzungsfragen offen – etwa bei der Abschöpfung von Markterlösen bzw. deren Verrechnung mit der bisherigen Vergütung für die Reserve-Vorhaltung. Außerdem gilt es, strategische Anreize für Marktakteure zu vermeiden.

Langfristig gefährdet die Marktrückkehr von Reservekraftwerken Investitionsanreize

Der Einsatz von Reservekraftwerken am Strommarkt würde systematisch Knappheitspreise unterdrücken, die wichtige Anreize für Investitionen in neue Kraftwerke oder Speicher setzen. Zudem wird die Wirtschaftlichkeit bestehender Anlagen beeinträchtigt. In der Folge drohen vermehrte Stilllegungen oder eine Überführung wirtschaftlich betroffener Kraftwerke in die Reserve – mit der Konsequenz, dass sich Kosten vom Markt auf die Netzentgelte verlagern.

Laut Koalitionsvertrag ist auch die Einführung eines Kapazitätsmechnismus geplant, der Investitionsanreize außerhalb des Strommarkts setzen soll. Kapazitätszahlungen müssen jedoch umso höher ausfallen, je weniger Knappheitspreise bzw. Investitionsanreize aus dem Markt zugelassen werden – durch die Rückkehr von Reservekraftwerken an den Markt wird der Kapazitätsmechanismus also teurer.

Insgesamt sind Kosteneinsparungen nicht garantiert

Sowohl statische als auch dynamische Effekte einer Rückführung von Reservekapazitäten an den Strommarkt sind komplex und teilweise gegenläufig. Zwar kann ihr temporärer Einsatz Effizienzgewinne bringen, da die Kapazitäten ohnehin vorgehalten werden. Voraussetzung ist jedoch, dass dabei keine neuen Verzerrungen entstehen – etwa durch Informationsasymmetrien, strategisches Verhalten von Marktakteuren oder einen erhöhten Bedarf an Redispatch. Auch muss vermieden werden, dass kurzfristige Einsparungen langfristig zu Ineffizienzen führen, etwa durch reduzierte Investitionssignale oder eine strukturelle Verschiebung von Kosten in Richtung Netzentgelte.

Ob die Rückführung von Reservekraftwerken an den Markt langfristig sinnvoll ist, hängt entscheidend von der konkreten Ausgestaltung und der Einbettung in ein konsistentes Marktdesign ab. Ein pauschaler Markteinsatz birgt Risiken, kann aber unter klaren Rahmenbedingungen zur kurzfristigen Kostensenkung beitragen. Die politische Bewertung muss daher sorgfältig zwischen kurzfristiger Entlastung und langfristiger Marktlogik abwägen.