Expertenrat für Klimafragen: Ziele für Sektoren Gebäude und Verkehr verfehlt

Expertenrat für Klimafragen: Ziele für Sektoren Gebäude und Verkehr verfehlt
13. April 2022 |

Der Expertenrat für Klimafragen hat die Schätzung des Umweltbundesamts zu den deutschen Emissionsdaten 2021 geprüft und bewertet. EWI-Direktor Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge ist Teil des fünfköpfigen Gremiums.

Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) hat seinen zweiten Prüfbericht zu den Emissionsdaten des Vorjahres vorgelegt und an die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag übermittelt. In dem gemäß § 12 Bundes-Klimaschutzgesetz erstellten Bericht prüft und bewertet der Expertenrat die am 15. März vom Umweltbundesamt nach sieben Sektoren gegliederte Berechnung der Vorjahres-Treibhausgasemissionen.

Neben der Prüfung ordnet der Expertenrat die Emissionsentwicklung und die Zielerreichung bzw. Zielverfehlung einzelner Sektoren vertiefend ein und diskutiert Bedarf und Optionen für eine Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. Kernstück des Berichts ist die Prüfung der Berechnung der Vorjahresemissionen durch das Umweltbundesamt.

Verkehrs- und Gebäudesektor oberhalb der Zielwerte

Der Expertenrat hat sowohl umfassend als auch stichprobenartig die Zahlen nachvollzogen und findet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Behörde bei ihren Punktwertschätzungen zu anderen Ergebnissen hätte kommen müssen. Die berichteten Emissionswerte lagen für den Verkehrs- und den Gebäudesektor oberhalb der jahresscharf im Bundes-Klimaschutzgesetz vorgegebenen Zielwerte.

Laut § 8 Abs. 1 Bundes-Klimaschutzgesetz müssen die für diese Sektoren zuständigen Ministerien folglich innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm vorlegen, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des jeweiligen Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt. Für die restlichen im Gesetz genannten Sektoren lagen die Emissionswerte unterhalb der zulässigen Jahreswerte.

Einordnung der Ergebnisse

Im Jahr 2021 sind die gesamten Treibhausgasemissionen (ohne Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft / LULUCF) gegenüber 2020 um rund 4,5 Prozent oder 33 Mt CO2-Äq. angestiegen, nachdem 2020 noch ein Rückgang um knapp 9 Prozent zu verzeichnen war. Dieser Anstieg im Vergleich zum Vorjahr stellt damit die größte prozentuale Zunahme der Treibhausgasemissionen seit 1990 dar. Dazu hat neben der wieder gewachsenen Wirtschaftsleistung auch der erstmals seit 2013 beobachtete Anstieg der Emissionsintensität, d.h. der auf das Bruttoinlandsprodukt bezogenen Treibhausgasemissionen, beigetragen.

Mit Blick auf die Erreichung der mittel- bis langfristigen Treibhausgasminderungsziele beabsichtigt der Expertenrat für Klimafragen daher in seinem im Herbst 2022 vorgesehenen Gutachten zur Trendentwicklung der Treibhausgasemissionen zu prüfen, inwieweit sich diese Zunahme der Emissionsintensität, die über den gesamten Zeitraum seit 1990 einen substanziellen Beitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen leistete, als kritisch erweisen könnte.

Einfluss von Sondereffekten

Unter Betrachtung der Sondereffekte des Jahres 2021, die vor allem von Preis-, Witterungs-, und Lagereffekten sowie weiterhin von den Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie geprägt waren, nimmt der Expertenrat für ausgewählte Sektoren eine detailliertere Einordnung vor. Der Befund lautet: Der Gebäudesektor hat im Jahr 2021 das zweite Mal in Folge sein Sektorziel verfehlt, wobei die Sondereffekte wie Witterung oder Lagerhaltung von Heizöl in Summe eine nennenswerte, jedoch in ihrer Richtung entgegengesetzte Wirkung hatten. Der Verkehrssektor hat 2021 sein Sektorziel erstmals verfehlt, trotz der tendenziell emissionsmindernd wirkenden Effekte steigender Kraftstoffpreise und der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie.

„Unsere Analyse gibt Hinweise darauf, dass ohne die Sondereffekte die Emissionen im Verkehr 2021 eher noch höher ausgefallen wären“, erläutert Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats. „Zugleich bestätigen wir, dass der Gebäudesektor den Jahreszielwert zum zweiten Mal in Folge überschritten hat. Allerdings ist bei dieser Feststellung zu beachten, dass der Überschreitungswert kleiner ist als die durch Lagerhaltung und Witterung bedingten Einflüsse.“

Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes

Vor dem Hintergrund der dieses Jahr zum zweiten Mal durchgeführten Prüfung sieht das Gremium den Bedarf einer wesentlichen Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes. „Das Klimaschutzgesetz ist noch recht jung. Neben grundlegenden Fragestellungen wie beispielsweise in Bezug auf die europäische Einbettung, zeigt sich in der Praxis an einigen Stellen konkreter Anpassungsbedarf im Hinblick auf Monitoring und Steuerung“, erklärt Brigitte Knopf, die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats. „Die Sektorziele haben eine wichtige Funktion als Governance-Instrument zur Erfüllung der Klimaschutzziele, es bedarf aber zusätzlicher oder angepasster Steuerungssignale. Ebenso wichtig wäre ein stärkerer Abgleich der Ziele und der sektoralen Steuerung mit den übergreifenden Instrumenten des europäischen und des nationalen Emissionshandels. Zudem fehlt im Klimaschutzgesetz bisher eine vorausschauende Steuerung bei antizipierter Zielverfehlung.“ Der Expertenrat empfiehlt einen koordinierten Prozess zur Weiterentwicklung des Bundes-Klimaschutzgesetzes im laufenden Jahr.

Der Expertenrat für Klimafragen (ERK) ist ein unabhängiges Gremium von fünf sachverständigen Personen verschiedener Disziplinen. Er wurde im September 2020 berufen und ist beauftragt durch § 11 und § 12 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Das Gremium besteht aus den fünf Mitgliedern Prof. Dr. Hans-Martin Henning (Vorsitzender), Dr. Brigitte Knopf (stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge, Prof. Dr. Thomas Heimer und Dr. Barbara Schlomann. Neben anderen gesetzlich festgelegten Aufgaben prüft der Expertenrat für Klimafragen gemäß § 12 Abs. 1 KSG die Emissionsdaten des Umweltbundesamts und legt der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag innerhalb von einem Monat eine Bewertung der veröffentlichten Daten vor.

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