Wasserstoffmarkt: Kosten und Förderung des Markthochlaufs

Wasserstoffmarkt: Kosten und Förderung des Markthochlaufs
22. Juni 2022 |

Die Bundesregierung unterstützt den Markthochlauf von grünem Wasserstoff. Wie sich Kosten unterscheiden und welche Kriterien bei einer Förderung betrachtet werden müssen, analysiert eine Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts.

Busse, Stahl oder Beimischung in Gaskraftwerken: Grüner Wasserstoff lässt sich in vielen Bereichen einsetzen – doch mit welchen Anwendungen und welchen Förderinstrumenten lässt sich der Markthochlauf kurzfristig und effizient vorantreiben? Das hängt von verschiedenen Kriterien ab – beispielsweise davon, ob die Anwendung alternativ auch elektrifiziert werden könnte, von den CO2-Vermeidungskosten oder davon, wie weit die Anwendung noch von der Wirtschaftlichkeit entfernt ist.

Welche Anwendungen für den Markthochlauf von grünem Wasserstoff geeignet sind, in welchem Umfang staatliche Förderungen notwendig sein könnten, wie diese einen Markthochlauf mit möglichst geringen Verzerrungswirkungen vorantreiben können und welche Kriterien und Instrumente bei der Förderung eine Rolle spielen, zeigt das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) in der Studie „H2-Förderkompass – Kriterien und Instrumente zur Förderung von Anwendungen für den Markthochlauf von Wasserstoff“. Die Publikation entstand im „Forschungsprogramm Wasserstoff“ des EWI im Auftrag der „Förderinitiative Wasserstoff“ der Gesellschaft zur Förderung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln e.V.

Insgesamt zwölf Anwendungen untersucht

Grüner Wasserstoff kann in allen Sektoren eingesetzt werden. Für den Markthochlauf sind insbesondere Anwendungen von Bedeutung, die bereits einen fortgeschrittenen Technologie-Reifegrad aufweisen, wie zum Beispiel Brennstoffzellen-LKW, -Züge oder -Busse, oder existierende Industrieprozesse, in denen grauer Wasserstoff durch grünen Wasserstoff ersetzt werden kann, beispielsweise bei der Herstellung von Wasserstoffperoxid. Allerdings ist den EWI-Untersuchungen zufolge bislang keine der Anwendungen im Vergleich zu ihrer jeweiligen konventionellen Alternative wettbewerbsfähig. Gemäß der Nationalen Wasserstoffstrategie erwartet die Bundesregierung für das Jahr 2030 aber einen Wasserstoffbedarf von 90 bis 110 TWh. Um diese Ziele zu erreichen, müsste der Markthochlauf beschleunigt und stärker als bisher in Wasserstoffanwendungen investiert werden. Die bisher fehlende Wirtschaftlichkeit könnte in diesem Fall durch staatliche Förderungen ausgeglichen werden.

Die Politik steht daher vor der Frage, welche Anwendungen gefördert werden sollten. Laut der Analyse des EWI hängt diese Frage von mehreren Kriterien ab. In der Studie wurden insgesamt zwölf verschiedene Anwendungen im Hinblick auf neun verschiedene Kriterien untersucht. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Bewertung für den Einsatz von Wasserstoff in Bussen und in der Primärstahlerzeugung. In der Studie werden zehn weitere Anwendungen untersucht. Je höher der Wert auf den Skalen, desto attraktiver ist die Anwendung für den Einsatz im Markthochlauf von Wasserstoff und damit als Ersatz der konventionellen Alternative.

Abbildung 1: Anwendung der Bewertungskriterien auf ausgewählte Wasserstoffanwendungen (oben) und Interpretation und Lesehilfe der Skalenwerte der Bewertungskriterien (unten)

Busse und/oder Primärstahlerzeugung?

Die Grafiken verdeutlichen: Wasserstoff-Busse verfügen bereits heute über einen hohen technologischen Reifegrad. Ein einzelner Bus hat jedoch ein eher geringes Potenzial CO2 einzusparen, während die Kosten der CO2-Vermeidung im Mittelfeld liegen. Gleichzeitig müsste mit einer eher hohen Fördersumme (pro generierter Nachfragemenge) gefördert werden, wenn auch nur über einen mittleren Zeitraum. Die generierte Nachfrage nach Wasserstoff durch einen Bus ist eher gering, könnte durch die Umstellung einer Busflotte aber angehoben werden.

Der Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel in der Primärstahlerzeugung weist hingegen eine mittlere technologische Reife auf. Durch den Einsatz von Wasserstoff können größere Mengen CO2 eingespart werden. Zudem müsste mit weniger Geld und nur für eine kurze Zeit gefördert werden. Die CO2-Vermeidungskosten wären insgesamt gering. Die erzeugte Nachfrage nach Wasserstoff wäre sehr hoch.

„Die Politik muss abwägen, welches Kriterium sie wie gewichtet“, sagt Lena Pickert, Senior Research Consultant am EWI, die die Studie gemeinsam mit Patricia Wild, Konstantin Gruber und Niklas Schoch verfasst hat. „Für einen besonders schnellen Markthochlauf könnten beispielsweise der technologische Reifegrad und die insgesamt generierte Nachfrage nach Wasserstoff wichtige Kriterien sein, wobei hier mögliche Lock-in-Effekte bei existierenden Elektrifizierungsalternativen beachtet werden müssen.“

Doppelauktionsmodell bietet sich an

Außerdem hat das EWI-Team untersucht, mit welchen marktbasierten bzw. regulatorischen Instrumenten die kurzfristige Wasserstoffnachfrage unterstützt werden könnte. „Eine angemessene CO₂-Bepreisung der konventionellen Alternativen stellt die Basis jeglicher Förderung dar“, sagt Pickert. Neben der CO2-Bepreisung wurden noch fünf weitere Instrumente untersucht.

Tabelle 1: Übersicht der Effekte und Eigenschaften möglicher Förderinstrumente

In der Studie wird gezeigt, dass die untersuchten Förderinstrumente unterschiedliche Effekte und Wirkweisen haben. Tabelle 1 zeigt, welches Potenzial die Förderinstrumente zum Beispiel zur Reduzierung des Investitionsrisikos haben oder welche Risiken bestehen, etwa in Bezug auf Carbon Leakage. Als zentrales Element der Förderung grünen Wasserstoffs bietet sich das Doppelauktionsmodell an, da es für große Mengen an Wasserstoff die Schaffung eines Marktes unterstützt und auf wettbewerblicher Basis die Lücke zwischen Kosten und Zahlungsbereitschaft decken kann. Beim Doppelauktionsmodell vermittelt eine Intermediärin für eine festgelegte Menge grünen Wasserstoffs den Produzenten mit dem niedrigsten Preis an den Abnehmer mit der größten Zahlbereitschaft. Die Intermediärin übernimmt die verbleibenden Differenzkosten und schließt so die Kostenlücke zwischen Produktionskosten und Zahlungsbereitschaft. Durch langfristige Abnahmeverträge zwischen Wasserstoffproduzent und der Intermediärin wird Investitionssicherheit gewährleistet.

Bei der Wahl des Förderinstruments ist jedoch zu beachten, dass sich die Endanwendungen speziell im Hinblick auf die Kostenstrukturen unterscheiden. Während bei großen industriellen Anwendungen hohe Investitionskosten das entscheidende Hemmnis darstellen, scheitert die Wirtschaftlichkeit bei anderen Anwendungen in erster Linie an den operativen Aufwendungen für den Einsatz von grünem Wasserstoff, beispielsweise bei bestehendem stofflichen Bedarf oder einer Beimischung in das Erdgasnetz. Insbesondere der Wasserstoff-Preis hat bei Anwendungen mit geringen Investitionskosten einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit. „Ein Förderkonzept sollte diese Diversität durch einen Mix verschiedener Instrumente berücksichtigen“, sagt Pickert.

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