Regulatorische Aufgaben im Zuge der Energiewende

Regulatorische Aufgaben im Zuge der Energiewende
30. März 2023 |

Der Regulierungsrahmen reagierte in der Vergangenheit meist punktuell auf Veränderungen des Energiesystems. Das EWI zeigt den Bedarf für Forschung und die praktische Umsetzung in der Regulierung im Zuge gegenwärtiger und künftiger Entwicklungen.

Seit der Liberalisierung des Strommarkts in den 1990-er Jahren hat es grundlegende Veränderungen auf der Angebots- und der Nachfrageseite im Energiesystem gegeben. Dabei wurde der regulatorische Rahmen meist als Reaktion auf konkrete Bedarfe punktuell angepasst. Ziel für den regulatorischen Rahmen sollten jedoch grundsätzlich Ganzheitlichkeit, Konsistenz und Kohärenz sein. Großer Handlungsbedarf besteht dabei insbesondere in der Anreizstruktur der Netzbetreiber und der Lastenteilung zwischen Erzeugung und Verbrauch.

Im Positionspapier „Regulierung in der Transformationssituation der Energiewende“ erklärt ein Team des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln mit Unterstützung weiterer Forschungspartner im Rahmen des Kopernikus-Forschungsprojekts ENSURE (Neue EnergieNetzStruktUREn für die Energiewende) den Regulierungsbedarf im Zuge gegenwärtiger und künftiger Strommarktentwicklungen.

Unzureichende Anreize für räumliche Koordination von Netz und Marktteilnehmern

Das Positionspapier zeigt: Da viele Windenergieanlagen in Norddeutschland stehen, ein Schwerpunkt der Last aber in Süd-West-Deutschland, entstehen zunehmend Netzengpässe. Eine veränderte Anreizstruktur könnte die kurz- und langfristige Koordination von Verbrauch und Erzeugung verbessern. Eine Reform des Strommarktdesigns könnte zudem einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten, indem Anreize für Investitionen in systemdienliche, gesicherte Leistung geschaffen werden.

Derzeit führt die Kapitalverzinsung im Rahmen der Anreizregulierung von Netzbetreibern dazu, dass diese einen Anreiz haben, in kapitalkostenintensive Maßnahmen wie den Netzausbau zu investieren. „Die Anreizstruktur für die Netzbetreiber sollte auf die Anforderungen der Transformation so angepasst werden, dass verstärkt Anreize entstehen, Innovationen und smarte Technologien im Netzbetrieb zu entwickeln und einzusetzen“, sagt Philipp Artur Kienscherf, Senior Research Consultant am EWI.

Refinanzierung der Netzkosten unter divergierenden Anforderungen

Zur Vermeidung von Engpässen und zur Verbesserung der Versorgungssicherheit ist der Netzausbau auch bei steigender Nutzung intelligenter Technologien unerlässlich. Hierbei stellt sich die Frage der Refinanzierung der Netzkosten. Aktuell erfolgt eine vertikale Wälzung von hohen auf niedrige Spannungsebenen, die von den Letztverbrauchern getragen wird. Steigende Netzkosten durch die Integration von erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie in Nord- und Ostdeutschland, werden in ländlichen Regionen auf weniger Verbrauch gewälzt. Dies könnte zu steigenden Netzentgelten in Nord- und Ostdeutschland und tendenziell niedrigeren Netzentgelten in West- und Süddeutschland beigetragen haben. Mögliche Alternativen zur vertikalen Wälzung wären die Beteiligung der Erzeugungsseite an den Netzkosten oder die bundesweite Angleichung von Netzentgelten.

Sektorenkopplung als Herausforderung und Chance

Die Verbindung der Energiesektoren Strom, Wärme, Gas und Mobilität wird immer enger. Hinsichtlich der neuen Technologien stellt sich die Frage, wie ein geeigneter Regulierungsrahmen für den Ausbau der Infrastruktur von Elektromobilität und Wasserstoff und den Rückbau bestehender Infrastruktur für Erdgas geschaffen werden kann. Neben neuen Herausforderungen bieten Sektorenschnittstellen auch die Möglichkeit, sie netz- und marktdienlich einzusetzen, beispielsweise durch flexible Nachfrager am Strommarkt.