EWI-Energietagung: Klimapaket polarisiert in Forschung und Praxis

EWI-Energietagung: Klimapaket polarisiert in Forschung und Praxis
26. September 2019 |

Wie die Digitalisierung das Energiesystem der Zukunft prägt und wie erfolgreiche Geschäftsmodelle im Rahmen der Energiewende aussehen – Expert*innen diskutieren bei der EWI-Energietagung über das Klimapaket der Bundesregierung und die Zukunft des europäischen Energiemarktes.

Bei der EWI-Energietagung diskutierten Expert*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über das Klimapaket der Bundesregierung und die Zukunft des deutschen und europäischen Energiemarktes. Wirtschafts- und Energieminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart machte auf die besondere Rolle des Landes Nordrhein-Westfalen in der nationalen und europäischen Energiepolitik aufmerksam.

„Das Rheinische Revier ist das größte Braunkohlenfördergebiet Europas, hierzulande sind 250.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der energieintensiven Industrie beschäftigt“, sagte Pinkwart bei der Tagung. Der Wandel zu einem klimaverträglichen Wirtschaftssystem stelle das Land daher vor besondere Herausforderungen. „Wir stellen uns der Transformation offensiv mit einer erst kürzlich verabschiedeten Energieversorgungsstrategie, dem Konzept für das Rheinische Revier als europäische Modellregion für Energieversorgungs- und Ressourcensicherheit sowie unserer Initiative in4Climate.NRW, mit der wir Sprunginnovationen für die klimaneutrale Produktion von morgen zusammen mit der Industrie anstoßen“, sagte Pinkwart weiter.

Wenige Tage nach den Beschlüssen des Klimakabinetts haben zahlreiche Fachleute aus Energieökonomik und -praxis bei der EWI-Energietagung die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung diskutiert. Dabei ging es nicht nur um nationale und europäische Energiepolitik, sondern auch um erfolgreiche Geschäftsmodelle im Rahmen der Energiewende sowie die Frage, wie die Digitalisierung das Energiesystem der Zukunft prägt.

Schwerpunkt auf wirtschaftliche, technologie-offene Anreize

„Die Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 des Klimakabinetts verlagern den Schwerpunkt der deutschen Klimaschutzpolitik vom Ordnungsrecht auf wirtschaftliche, technologie-offene Anreize und Ausgleichsmechanismen“, sagte Professor Marc Oliver Bettzüge, Direktor des EWI, bei der EWI-Energietagung. „Das ist im Grundsatz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

Unter den rund 130 Teilnehmenden der EWI-Energietagung waren unter anderem prominente Vertreter*innen verschiedener Disziplinen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, wie beispielsweise Dr. Matthias Cord, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Thüga, Barbie Kornelia Haller, Leiterin der Beschlusskammer 7 der Bundesnetzagentur, Prof. Albert Moser, Prodekan und Lehrstuhlinhaber am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen, Andreas Renner, Leiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von EnBW und Felix Zhang, Group Executive Director von Envision Energy.

Außerdem berichteten die EWI-Wissenschaftler*innen Dominic Lencz, Dr. Eglantine Künle und Lena Pickert in Kurzvorträgen über aktuelle Projekte zu Momentanreserve, Kohleausstieg und CO2-Bepreisung im Gebäudesektor. Das EWI veranstaltet die Energietagung in Kooperation mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).

Zu mehr Nachhaltigkeit mit Maschinellem Lernen

Vera Brenzel, Head of Political Affairs bei E.ON, kommentierte als Referentin die europäische Energiepolitik. „Während die neue Kommission in Brüssel Klimaschutz als breites Wachstumsfeld definiert und dem Thema neuen Schwung gibt, bleiben die Klimavorschläge der Bundesregierung vor allem beim Zertifikatehandel und bei der Strompreisentlastung hinter den Möglichkeiten zurück“, sagte Brenzel. Sie zeigte sich skeptisch, ob die „Fülle der sonst vorgeschlagenen Maßnahmen und neuen Fördertöpfe wirklich klima-klug sind, um die Ziele zu erreichen.“

Bei der EWI-Energietagung ging es auch um die Frage, wie das Energiesystem mit Digitalisierung und maschinelles Lernen reformiert werden kann. „Wenn wir ein nachhaltiges Energiesystem und nachhaltige Mobilität erreichen wollen, dann schaffen wir das nur mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen“, sagte EWI-Direktor Prof. Wolfgang Ketter. Die Beschlüsse des Klimakabinetts zeigen das noch einmal ganz deutlich. Die stärksten Hebel hin zu mehr Nachhaltigkeit sind ein starker Ausbau der digitalen Infrastruktur, besonders Glasfaser und 5G, und ein hoher Automatisierungsgrad bei einem hohen Anteil erneuerbarer Energien.“

Im Anschluss an die EWI-Energietagung fand die erste Felix Höffler Memorial Lecture statt. Mit dieser gedachte das Institut dem ehemaligen EWI-Direktor, Kollegen und Freund, der im Februar 2019 gestorben war. Shmuel S. Oren (University of California at Berkeley) hielt den Festvortrag zu seinen Ehren.

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